Anna Manuilova
Psychologin und systemischer CoachStress abbauen – effektive und einfache Tipps gegen Stress
Weißt du eigentlich was entscheidend ist, ob du Stress erlebst oder nicht? Die Antwort hat schon Viktor Frankl gegeben:
„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen. In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“
Dieses Zitat beschreibt sehr treffend, was Stress ausmacht und welche Bestandteile er hat. Es impliziert außerdem, dass wir wohl eine Entscheidung treffen können, ob wir Stress haben oder nicht. Wir sind den äußeren Umständen, also den Stressoren, nicht hilflos ausgeliefert.
Stress ist nämlich das, was in unserem Inneren passiert, während und nachdem unsere Reaktion erfolgt ist. Die Bewertung ist entscheidend. Sie bestimmt, ob wir Symptome und Folgen von Dauerstress entwickeln oder nicht.
Möchtest du dich intensiver mit deinem Stresserleben beschäftigen?
Lass uns zusammen deinem Stress auf den Grund gehen, damit du besser für dich einstehst, deine wahren Zielen verfolgst und gelassener durch das Leben gehst.
Du weißt wahrscheinlich schon, dass Stressreaktionen einem uralten Programm unserer Vorfahren aus der Steinzeit folgen.
Ja, damals hat es alles Sinn gemacht – der ganze Cocktail aus Stresshormonen, die das Überleben gesichert haben. Es machte Sinn, sich auf die Gefahren zu konzentrieren, oder eine erstmal neutrale Situation, wie das Geräusch im Busch, als gefährlich einzuschätzen, denn sonst wäre man eventuell gefressen worden.
Wir interpretieren die Ereignisse heute auch schnell als Bedrohung. Da wir die Nachfahren dieser Überlebenden sind, tragen wir ihr genetisches Programm in uns.
Heute ist die Welt anders, doch unser Körper hat sich biologisch kaum daran angepasst. Wenn wir das im Sinn behalten, fällt es einfacher im Alltag Stress abzubauen.
Heute macht es viel mehr Sinn, unser Menschenverstand zu nutzen und damit unsere Bewertungen zu hinterfragen, um den ansonsten unbedachten Stressreaktionen entgegenzuwirken.
Achtsamkeit
Was wir am meisten brauchen ist Bewusstsein, Achtsamkeit. Wir sollen bewusst negative Gedanken und Ängste mit positiven und sinnvollen ausgleichen.
In der heutigen Welt sollten wir nicht von Ängsten und anderen negativen Emotionen getrieben werden, sondern bewusst unseren Verstand einsetzen – reflektieren, Lösungen überlegen, entsprechend handeln.
Wir leben schließlich nicht mehr im Busch, wo hinter jeder Ecke eine Gefahr lauern kann.
Wie ist das Verhältnis von negativen und positiven Gedanken und Emotionen bei dir? Du kannst hierzu eine Strichliste führen. Wie viele hinderliche stressauslösende Gedanken hast du an einem Tag?
Bringen sie dich weiter? Im Stress konzentrieren wir uns auf Gefahrenmeldungen und haben einen Tunnelblick.
So war es bei unseren Vorfahren auch – wenn sie vom Tiger geflohen sind, interessierte sie die schöne Umgebung kaum. Sie schauten, wo der nächste Baum, Stein oder Versteck ist.
Bewegung und Sport
In unserem genetischen Programm liegt ebenfalls die Antwort, warum Sport und Bewegung für den Abbau vom Stress so wichtig ist.
Der Körper stellt Energie für die Stressreaktionen. Dafür sorgen die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol.
Diese Energie wird durch Bewegung (Flucht oder Kampf) automatisch abgebaut. Wenn du heute Stress hast und dich kaum bewegst, wird diese Energie häufig in Fettreserven umgewandelt.
Cortisol ist allerdings auch ein langanhaltendes Hormon, was dafür zuständig ist, dass wir lange Strecken laufen können, dass wir wachsam und empfindlich bleiben. Ausdauersport ist für den Abbau vom Cortisol deswegen besonders hilfreich.
Wusstest du, dass 85 Prozent aller Rückenschmerzen keine körperlichen Ursachen haben?
Wenn du zum Arzt gehst, solltest du selber aufpassen, denn es wird dort doch hauptsächlich nach Fehlbelastungen oder Fehlstellungen geschaut, und selten nach psychosomatischen Ursachen oder Auswirkungen durch Stress.
Wenn du eine sitzende Tätigkeit hast und dich wenig bewegst, dann wirst du ab und zu wahrscheinlich Verspannungen entwickeln. Manche Menschen merken es nicht mehr – es ist zum Normalzustand geworden, und manche beschweren sich, dass sie immer verspannt sind und nichts hilft.
Was du jedoch machen kannst, sind sehr einfache Übungen, um deine Muskulatur immer wieder zu lockern und Verspannungen abzubauen.
Wenn sich unsere Vorfahren in Sicherheit gebracht und es z.B. auf einen Baum geschafft hatten, durften sie sich immer noch nicht direkt entspannen und einschlafen. Sonst wären sie heruntergeplumpst und vom Feind gefressen worden.
Erst wenn sie wieder zurück „nach Hause“, in ihre Höhle oder zu ihrer Gruppe gekehrt waren, konnten sie mehr oder weniger loslassen.
Dies erklärt, warum man bei Dauerstress Schlafstörungen haben kann. Das Cortisol wird nicht genügend abgebaut und man bleibt wachsam – jedes Geräusch weckt einen und man kann (wieder) nicht einschlafen.
Entspannungstechniken
Du kannst bewusst dem Stress auch mit Entspannung entgegenwirken. Mit Verfahren wie PMR, Yoga, Autogenes Training, Thai Chi, Meditation und Atementspannung kannst du dein Cortisol reduzieren und auf dem direkten Weg den Stress abbauen.
Die einfachste Methode ist die verlangsamte Bauchatmung.
Atme eine bis zwei Minuten lang und tief ein und etwas langsamer aus. Drei bis fünf Sekunden einatmen und fünf bis sieben Sekunden ausatmen.
Ein Grundsatz: die Atmung sollte langsamer sein, als im Alltag, aber nicht so langsam, dass du Schwindel bekommst.
Umarmungen und Sinnlichkeit
Der Gegenspieler von dem Cortisol ist das Hormon Oxytocin. Das wird durch Berührungen ausgeschüttet und stärkt die Verbundenheit und das Vertrauen.
Unsere Vorfahren konnten sich entspannen, wenn sie in ‚ihrer‘ Menschengruppe saßen. Deswegen wirkt vielleicht das Lagerfeuer so beruhigend.
Das Kuscheln mit dem Baby, dem Partner oder der Partnerin, das Streicheln der Katze führt zu Stressabbau durch das Ansteigen von Oxytocin.
Heutzutage wird dieser, wie viele andere Energiespender auch, häufig leider eingeschränkt. Es kann sein, dass du weniger zwischenmenschliche Kontakte und Berührungen hast. Hierzu zählen nämlich auch Umarmungen oder ein Händedruck.
Das heißt aber nicht, dass es unmöglich ist. Überlege, wie du mehr Sinnlichkeit in dein Leben einfließen lassen kannst. Dir eine Katze besorgen, Pferde reiten, es zu Hause kuschelig machen?
Sogar die Betrachtung von etwas Schönem kann die Oxytocinpegel erhöhen.
Pausen
Ein Schlüssel zur Burnout Prävention sind regelmäßige Pausen.
Weißt du übrigens, warum du manchmal aufgrund von Stress deine Bedürfnisse wie Trinken, Essen und Erholung vernachlässigst?
Neben Stresshormonen steigen nämlich außerdem die Endorphine (körpereigenes Morphium): das war notwendig, denn wenn unsere Vorfahren sich bei Kampf und Flucht verletzt hatten und stehen geblieben wären, wären sie womöglich gefressen worden. Die mussten weiter rennen und durften nicht stehen bleiben oder Pause machen.
Wenn wir auf Adrenalin sind, spüren wir körperlich nicht, wie es uns geht.
Heute ist es nicht mehr notwendig – wir können und sollen uns regelmäßig erholen, denn wir können ja die Stresshormone nicht in Gänze durch Bewegung abbauen. Sonst müsste jeder von uns Marathonläufer oder Kämpfer sein.
Schon wieder gilt hier der Grundsatz – sei bewusst mit dir selber. Spüre dich und deine Bedürfnisse. Achte darauf, wann du eine Pause brauchst und gönne sie dir.
In der Pause sollte man möglichst das Gegenteil dessen tun, das man vorher getan hat.
– Hast du die ganze Zeit gegessen, bewegst du dich;
– wenn du geredet hast, gehst du in die Stille;
– hast du lange vor dem Rechner gesessen, dann unterhalte dich mit den Kollegen.
Deine Leistungsfähigkeit ist nach einer bewussten Unterbrechung sehr viel höher, als wenn du durcharbeiten würdest – das gilt auch für körperliche Arbeit.
Man hat in einem Experiment zwei Gruppen Sand schaufeln lassen. Die einen sollten durchschaufeln und die anderen durften Pausen machen.
Am Ende der gleichen Zeit hat man das Experiment beendet und diejenigen mit den Pausen haben mehr Sand bewegt, als diejenigen, die durchgearbeitet hatten. Power Napping ist übrigens eine super Methode, um schnell Energie zu tanken.
Stress abbauen lernen
Und nun möchte ich dir noch einen wichtigen Faktor der gesunden Stressbewältigung verraten: wir sollten nicht nur die Symptome behandeln und lindern, sondern besonders auf die Ursachen eingehen und diese bearbeiten.
Die Tipps, die ich hier aufgeführt habe und einige andere, die es noch gibt, helfen die Stressreaktionen zu regulieren.
Diese Methoden unterstützen dich, bewusst die Ursachen des Stresses aufzudecken. Wenn du entspannt bist, ist es einfacher, an den hinderlichen Glaubenssätzen, Konflikten und anderen Stressursachen zu arbeiten.