Motivational Interviewing bei Reha-Frust: So führst du Athlet:innen geduldig zu nachhaltiger Veränderung

Motivational Interviewing bei Reha-Frust: So führst du Athlet:innen geduldig zu nachhaltiger Veränderung

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Kennst du das? Eine Patientin oder ein Patient ist kaum aus dem Akutzustand raus – und will direkt wieder auf den Platz, in den Kraftraum oder zum nächsten Wettkampf. Und du weißt: Das ist viel zu früh. Was dann hilft, ist nicht noch mehr Argumentation, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe, das Veränderung von innen heraus anstößt. Genau hier setzt Motivational Interviewing (MI) an – und kann dein wichtigstes Werkzeug in der Sporttherapie werden.

Nils Boettcher ist Physiotherapeut und Experte für Verhaltensänderung. In diesem Artikel erklärt er, wie du als Therapeutin oder Therapeut MI gezielt einsetzen kannst, um Athletinnen und Athleten bei der Rückkehr ins Training nicht nur körperlich, sondern auch mental optimal zu begleiten – und wie du sie dabei unterstützt, Verantwortung für ein nachhaltiges Heilungsverhalten zu übernehmen.
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Nils Boettcher

Physiotherapeut und Experte für Verhaltensänderung

Was ist Motivational Interviewing (MI)?

MI ist mehr als nur eine Methode – es ist eine innere Haltung, die du im Gespräch mit deinen Patientinnen und Patienten einnimmst. Statt zu belehren oder zu überzeugen, führst du Gespräche so, dass Motivation und Veränderungswille von innen heraus entstehen.

Die Technik stammt ursprünglich aus der Suchttherapie, hat aber längst ihren festen Platz im Gesundheits- und besonders im sporttherapeutischen Kontext gefunden.

Für dich als Therapeutin oder Therapeut bedeutet MI:

Du gibst deinen Patientinnen und Patienten nicht nur Informationen – du hilfst ihnen, selbst Entscheidungen zu treffen, die sie mit Überzeugung tragen können.

Gerade im Sport, wo viele Athletinnen und Athleten extrem leistungsorientiert und ungeduldig sind, ist das ein Gamechanger.

Warum MI für dich als Sporttherapeutin oder Sporttherapeut so wertvoll ist

In der Arbeit mit Athletinnen und Athleten bist du nicht nur Behandlerin oder Behandler, sondern auch Moderatorin oder Moderator zwischen körperlicher Realität und sportlichem Ehrgeiz. MI hilft dir, diesen Spagat zu meistern – besonders dann, wenn jemand unbedingt „schnell wieder fit“ sein will.

Denn genau hier entsteht oft ein gefährlicher Konflikt: Die Muskulatur fühlt sich gut an, der Schmerz ist weg – also los! Doch du weißt, dass die Heilungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind.

Statt mit erhobenem Zeigefinger zu bremsen, nutzt du mit MI einen eleganteren Weg: Du lässt dein Gegenüber selbst erkennen, warum ein dosiertes Vorgehen langfristig mehr bringt.

Die fünf Prinzipien von MI in deiner Praxis

MI basiert auf fünf zentralen Prinzipien, die dir helfen, effektive und empathische Gespräche mit deinen Patientinnen und Patienten zu führen:

Empathie zeigen:

Versetze dich in die Lage deines Gegenübers und zeige echtes Verständnis für Gefühle und Perspektiven. Durch aktives Zuhören und reflektierendes Wiedergeben signalisierst du, dass du ernst nimmst und nachvollziehen kannst, was gesagt wird

Diskrepanzen entwickeln:

Hilf dabei, den Widerspruch zwischen aktuellem Verhalten und langfristigen Zielen zu erkennen. Indem du gezielt Fragen stellst, die diese Diskrepanz aufzeigen, förderst du seine intrinsische Motivation zur Veränderung.

Widerstand als Chance nutzen:

Anstatt Widerstand direkt zu konfrontieren, akzeptiere ihn als natürlichen Teil des Veränderungsprozesses. Vermeide Argumentationen und nutze den Widerstand, um gemeinsam mit deinem Gegenüber um alternative Perspektiven zu erarbeiten.

Selbstwirksamkeit stärken:

Ermutige deine Patientinnen und Patienten, an ihre Fähigkeit zur Veränderung zu glauben. Erinnere sie an vergangene Erfolge und betone ihre Ressourcen und Stärken, um ihr Selbstbewusstsein zu erhöhen.

Ambivalenz erkunden:

Erkenne und thematisiere gemischte Gefühle offen. So hilfst du deinem Gegenüber, Klarheit über Ziele, Werte und Hindernisse zu gewinnen.

Diese Gesprächstechniken machen den Unterschied

Diese Techniken helfen dir, Motivational Interviewing in deinem Alltag umzusetzen:

Offene Fragen stellen

Ermutige deine Patientin oder deinen Patienten, ausführlich über ihre / seine Gedanken und Gefühle zu sprechen, indem du Fragen stellst, die nicht mit einem einfachen “Ja” oder “Nein” beantwortet werden können. Beispielsweise: “Wie stellst du dir deinen Wiedereinstieg ins Training vor?”

Reflektierendes Zuhören

Zeige, dass du aktiv zuhörst, indem du die Aussagen deines Gegenübers in eigenen Worten wiedergibst. Dies fördert das Verständnis und zeigt, dass du seine Perspektive ernst nimmst.

Affirmationen einsetzen

Anerkennung und positive Rückmeldungen stärken das Selbstvertrauen. Zum Beispiel: “Es ist beeindruckend, wie konsequent du deine Reha-Übungen bisher durchgeführt hast.”

Zusammenfassungen geben

Fasse die wichtigsten Punkte des Gesprächs regelmäßig zusammen, um sicherzustellen, dass ihr beide auf dem gleichen Stand seid und um das Gespräch strukturiert abzuschließen.

Informieren auf Augenhöhe

Teile dein Fachwissen auf eine Weise, die den Patienten nicht bevormundet, sondern ihm ermöglicht, informierte Entscheidungen zu treffen. Biete Informationen an und frage nach seiner Meinung dazu: „Es gibt Hinweise darauf, dass ein langsamer Einstieg das Risiko für Rückfälle senkt. Wie denkst du darüber?“

Wenn Athletinnen und Athleten zu früh zu viel wollen – ein typisches Szenario

Stell dir vor: Die Handballballspielerin Svenja kommt vier Wochen nach einer Muskelverletzung zur Kontrolle. Dein Plan sieht einen moderaten Belastungsaufbau vor – sie will aber gleich wieder in den Kader. Jetzt helfen keine Argumente. Jetzt hilft Motivational Interviewing.

Du gehst in das Gespräch mit dem Ziel, Verständnis zu zeigen und gleichzeitig eine Denkbewegung auszulösen:

„Dir ist sehr viel daran liegt, wieder mit der Mannschaft zu trainieren. Gleichzeitig sehen wir im Belastungstest, dass deine Muskulatur noch nicht vollständig stabil ist. Wie gehst du selbst mit diesem Zwiespalt um?“

Solche Fragen öffnen die Tür zur Reflexion. Svenja spürt: Du bist auf ihrer Seite. Du willst sie nicht bremsen, sondern begleiten. Du schaffst einen Rahmen, in dem sie selbst beginnt, Risiken gegen Ziele abzuwägen – und sich vielleicht neu entscheidet.

Gerade nach Verletzungen ist die Geduld eine der härtesten Währungen für Sportler:innen. Mit MI gibst du ihnen eine Möglichkeit, sich mit dieser Geduld anzufreunden – nicht als Verzicht, sondern als strategischen Schritt hin zur echten Belastbarkeit.

Integration von MI in deinen therapeutischen Alltag

Du brauchst keine zusätzlichen Sitzungen oder Tools – MI lässt sich direkt in deine bestehenden Abläufe integrieren. Es beginnt bei deiner Haltung, der Begegnung auf Augenhöhe und zeigt sich in kleinen, gezielten Gesprächsmomenten.

Ein paar Beispiele:

Einstieg mit Bedeutung: „Was ist dir aktuell am wichtigsten in deiner Reha?“

Nachhaken bei Ambivalenz: „Was spricht dafür, jetzt schon intensiver zu trainieren – und was dagegen?“

Zielentwicklung gemeinsam gestalten: „Wie sähe dein Idealszenario für den Wiedereinstieg aus – und was müsste dafür passieren?“

Du wirst schnell merken: Wenn Gegenüber sich gehört und ernst genommen fühlt, steigt seine Bereitschaft, mit dir an einem realistischen, abgestimmten Plan zu arbeiten.

Herausforderungen – und wie du sie meisterst

MI verlangt einen Rollenwechsel: von der Erklärenden oder dem Erklärenden zur Begleiterin oder zum Begleiter. Das fühlt sich anfangs ungewohnt an – aber du wirst schnell merken, wie viel mehr Wirkung echte Gespräche haben als reine Instruktionen.

Widerstand ist nicht das Ende – sondern der Anfang

Wenn Patienten wie Svenja mit Aussagen wie „Ich will einfach wieder spielen!“ reagieren, ist das kein Widerstand gegen dich, sondern Ausdruck seiner Ambivalenz. MI lehrt dich, diese Reaktion nicht als Konfrontation zu sehen, sondern als Einladung zum Gespräch und zum tieferen Verstehen.

Zuhören braucht mehr Mut als Reden

In der Praxis bedeutet MI oft: Du lässt Pausen zu. Du hörst auch das, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Und du widerstehst dem Impuls, sofort Lösungen anzubieten. Stattdessen führst du deine Patientin oder deinen Patienten dahin, ihre oder seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

FAQ – die wichtigsten Fragen im Überblick

Ist MI nur für Psychologinnen und Psychologen gedacht?

Nein – gerade in der Physiotherapie wirkt MI besonders gut, weil du nah am Alltag deiner Patientinnen und Patienten bist.

Brauche ich eine Fortbildung?

Nicht zwingend. Falls du tiefer in das Thema einsteigen willst und es vor allem praktisch erlernen möchtest, ist eine spezifische Fortbildung natürlich nützlich. https://www.emota.de/termine/

Wie schnell wirkt MI?

Oft reichen schon erste Ansätze, um mehr Offenheit zu erzeugen. Nachhaltige Veränderungen brauchen Zeit – aber die Richtung gibst du sofort vor.

Was, wenn jemand gar nicht reflektieren will?

Geduld ist der Schlüssel. Manchmal reicht eine einzige offene Frage, um etwas in Bewegung zu bringen.

Fazit: Zwischen Ehrgeiz und Einsicht vermitteln

Als Therapeutin oder Therapeut kennst du die physiologischen Heilungsprozesse. Aber deine Athletinnen und Athleten haben oft andere Vorstellungen – getrieben von Druck, Wunsch nach Normalität oder der Angst, den Anschluss zu verlieren.

Motivational Interviewing hilft dir, diese Lücke zu schließen – mit echter Verbindung statt Belehrung. Du stärkst Eigenverantwortung und förderst Einsicht. Du wirst nicht zur Bremserin oder zum Bremser, sondern zur Begleiterin oder zum Begleiter auf Augenhöhe.

Die Kunst liegt darin, nicht lauter zu werden – sondern leiser. Nicht mehr zu sagen – sondern besser zuzuhören. Und genau darin liegt deine neue therapeutische Stärke.

Was ist dein nächster Schritt?

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Literatur zum Thema Motivational Interviewing

W.R. Miller, S. Rollnick: Motivierende Gesprächsführung: Motivational Interviewing. 4. Auflage (2025), Freiburg: Lambertus. ISBN: 9783784136417

W.R. Miller, S. Rollnick: Motivational Interviewing: Helping People Change and Grow. 4. edition (2023), Guilford Press. ISBN: 9781462552795

W.R. Miller, S. Rollnick: Motivierende Gesprächsführung: Motivational Interviewing. 3. Auflage (2015), Freiburg: Lambertus. ISBN: 9783784127507

S. Rollnick, W.R. Miller, C.C. Butler: Motivierende Gesprächsführung in den Heilberufen. (2012), Probst Verlag: Lichtenau/Westf. ISBN: 3981338979

Profilbild Nils Boettcher

Nils Boettcher

Physiotherapeut und Experte für Verhaltensänderung

Hi, ich bin Nils, Physiotherapeut seit 1999 und Experte für Verhaltensänderung.

Bereits in meinen ersten Berufsjahren habe ich erkannt, dass Klienten und Patientinnen trotz Tipps und Aufklärung nicht immer umsetzen, was der Gesundheitsexperte empfiehlt.

Damit dieses Umsetzen von Übungen im Alltag nachhaltig klappt, muss der Mensch Eigenverantwortung übernehmen und am besten auch intrinsisch motiviert sein. Aber, ist es möglich, diese Einflussfaktoren wirksam zu steigern?

Die Antwort lautet eindeutig JA! Es gibt Strategien und Methoden. Und seit über 15 Jahren gebe ich meine Erfahrung und das praktisches Wissen zum Thema Verhaltensänderung in Seminaren und Workshops weiter, von denen bisher über 4.500 Teilnehmer:innen profitiert haben.

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