
Steffen Vogelmann
Heilpraktiker und PhysiotherapeutHashimoto – warum mehr als nur die Schilddrüse betroffen ist
Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Schilddrüse angreift. Mit der Zeit führt das zu einer Unterfunktion, weil immer weniger Schilddrüsengewebe aktiv Hormone produziert.
Viele denken anfangs, das Problem sei damit „lokal begrenzt“ – also nur die Schilddrüse betroffen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.
Die Schilddrüse ist Teil des endokrinen Systems, also jenes Netzwerks, das alle Hormone miteinander verbindet. Gerät sie aus dem Gleichgewicht, wirkt sich das auf nahezu alle anderen Hormone aus: Sexualhormone, Stresshormone und sogar Insulin.
Das erklärt, warum Hashimoto-Symptome so vielfältig sind – von Müdigkeit über Gewichtsschwankungen bis hin zu Stimmungstiefs und Zyklusproblemen.
Viele meiner Patientinnen berichten, dass sie zunächst dachten, ihre PMS-Beschwerden oder Schlafstörungen hätten „nichts mit der Schilddrüse zu tun“. Doch sobald man die Zusammenhänge versteht, ergibt plötzlich alles Sinn.
Die Schilddrüse als Dirigentin des Hormonorchesters
Die Schilddrüse ist klein, aber mächtig – man könnte sie den „Dirigenten“ Deines hormonellen Orchesters nennen. Sie produziert die Hormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin), die an nahezu jede Zelle im Körper andocken.
Ihre Aufgabe: den Stoffwechsel steuern, Energieproduktion regulieren und die Empfindlichkeit anderer Drüsen beeinflussen.
Stell Dir vor, Dein Körper wäre ein Orchester: Wenn die Schilddrüse den Taktstock hebt, folgen die anderen Instrumente – die Eierstöcke, die Nebennieren, die Bauchspeicheldrüse. Doch wenn Hashimoto die Schilddrüse schwächt, wird der Takt unsauber. Das Orchester gerät aus dem Rhythmus.
Studien zeigen, dass Frauen mit Hashimoto ein deutlich höheres Risiko für Zyklusunregelmäßigkeiten, PMS und sogar unerfüllten Kinderwunsch haben. Grund dafür ist die empfindliche Balance zwischen Östrogen und Progesteron – und genau hier setzt der nächste Teil an.
Progesteron & Östrogen – wenn der Zyklus aus dem Takt gerät
Progesteron und Östrogen sind die zentralen Hormone des weiblichen Zyklus. Sie beeinflussen Stimmung, Schlaf, Fruchtbarkeit und sogar die Art, wie Dein Körper Wasser speichert.
Bei Hashimoto verschiebt sich dieses Gleichgewicht oft gleich auf zwei Wegen:
- Eingeschränkter Eisprung: Wenn die Schilddrüse zu wenig Hormone liefert, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Eisprung stattfindet. Ohne Eisprung gibt es aber auch kein Progesteron – und das sorgt für ein Defizit.
- Belastete Leber: Die Leber ist mitverantwortlich für den Abbau von Östrogen. Ist sie durch Stoffwechselverlangsamung geschwächt, bleibt zu viel Östrogen aktiv im Blut. Das nennt man relativen Östrogenüberschuss.
Die Folgen sind spürbar:
- stärkere oder verlängerte Perioden
- PMS-Symptome wie Brustspannen, Gereiztheit und Wassereinlagerungen
- Migräne kurz vor der Periode
- Schwierigkeiten, schwanger zu werden
Viele Frauen beschreiben es so: „Ich erkenne mich hormonell kaum wieder.“ Genau an diesem Punkt lohnt es sich, den Zusammenhang zwischen Hashimoto und Zyklushormonen genauer zu betrachten – und ihn ernst zu nehmen.
Cortisol & die Stressachse – ein Teufelskreis
Während Progesteron und Östrogen Deine Monatszyklen bestimmen, ist Cortisol Dein Hauptakteur in Sachen Stress. Normalerweise hilft Cortisol, Dich morgens wach und leistungsfähig zu machen. Doch in Kombination mit einer Schilddrüsenunterfunktion kippt das System.
Eine Hypothyreose macht Deine Nebennieren empfindlicher. Schon kleine Stressreize führen dazu, dass mehr Cortisol ausgeschüttet wird – und das über längere Zeit. Gleichzeitig blockiert ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel die Umwandlung von T4 in das aktive T3.
Die Folge: Ein Teufelskreis aus Energiemangel, Müdigkeit und noch mehr Stress.
Typische Warnsignale sind:
- Du wachst zwischen 2 und 4 Uhr nachts auf und kannst nicht mehr einschlafen.
- Morgens fühlst Du Dich völlig gerädert, aber abends kommt ein „zweiter Wind“.
- Dein Bauchfett nimmt zu, obwohl Du nicht mehr isst.
Viele unterschätzen die Rolle von Cortisol bei Hashimoto. Doch gerade dieser Stressfaktor entscheidet oft, ob es gelingt, die Symptome in den Griff zu bekommen oder nicht.
Weitere hormonelle Wechselwirkungen
Neben Zyklus- und Stresshormonen gibt es noch weitere Achsen, die Hashimoto beeinflusst:
Insulin & Blutzucker: Eine schwache Schilddrüse verlangsamt die Glukoseaufnahme in die Zellen. Das kann Heißhunger, Stimmungsschwankungen und langfristig eine Insulinresistenz begünstigen.
Testosteron & Libido: Manche Frauen berichten über sinkende Lust oder trockene Schleimhäute. Ursache ist ein komplexes Zusammenspiel aus Östrogenmangel, Progesterondefizit und Stresshormonen.
Neurotransmitter: Hashimoto kann Depressionen und Ängste verstärken, weil Schilddrüsenhormone eng mit Serotonin- und Dopaminproduktion verknüpft sind.
Kurz gesagt: Hashimoto ist nie nur „eine Schilddrüsensache“. Dein ganzer Körper reagiert – und genau deshalb macht es Sinn, ganzheitlich vorzugehen.
Fünf Strategien für mehr Hormonbalance im Alltag
Hier kommen fünf praxisnahe Maßnahmen, die Du sofort umsetzen kannst, um Deine Hormone wieder ins Lot zu bringen:
1. Proteinreiches Frühstück
Warum es wirkt: Stabilisiert Blutzucker & Cortisol, liefert Aminosäuren für Progesteronbildung.
So geht’s: 2 Eier + Skyr + Beeren oder ein Protein-Smoothie mit pflanzlichem Eiweißpulver.
2. Ashwagandha (300–600 mg abends)
Warum es wirkt: Adaptogen, senkt Cortisolspitzen, fördert erholsamen Schlaf.
So geht’s: 1 Kapsel ca. 30 Minuten vor dem Schlafengehen.
3. Zyklusgerechtes Training
Warum es wirkt: Krafttraining in der ersten Zyklushälfte fördert Energie; sanfte Bewegung in der zweiten Zyklushälfte schützt Progesteron.
So geht’s: Workouts nach Zyklus im Kalender einplanen.
4. Selen (100–200 µg/Tag)
Warum es wirkt: Senkt TPO-Antikörper, unterstützt die Umwandlung von T4 zu T3.
So geht’s: 2 Paranüsse pro Tag oder Supplement.
5. 4-6-Atemtechnik
Warum es wirkt: Aktiviert den Parasympathikus, reduziert akute Stressreaktionen.
So geht’s: 4 Sekunden einatmen, 6 Sekunden ausatmen – 5 Minuten morgens und bei Bedarf.
Diese Strategien sind kein Allheilmittel, aber sie helfen, dem Hormonsystem mehr Stabilität zu geben – und das spürst Du oft schon nach einigen Wochen.
Wann professionelle Hilfe unverzichtbar ist
Es gibt klare Signale, die zeigen, dass Du Unterstützung brauchst:
- Dein Zyklus bleibt über 3 Monate hinweg unregelmäßig.
- Deine PMS-Symptome verschlimmern sich trotz Ernährungsumstellung.
- Dein Schlaf bleibt gestört, obwohl Du Stress reduzierst.
- Dein Kinderwunsch erfüllt sich innerhalb eines Jahres nicht.
In solchen Fällen reicht Selbstmanagement nicht aus.
Hier ist ein umfassendes Hormonpanel notwendig – inklusive Schilddrüse, Sexualhormonen und Stresshormonen. Nur so lässt sich herausfinden, wo der eigentliche Engpass liegt und wie er gezielt behandelt werden kann.
FAQ zu Hashimoto & Hormonen
Kann Hashimoto allein PMS auslösen?
Ja – vor allem durch das Progesterondefizit, das bei eingeschränktem Eisprung entsteht.
Warum fühlen sich meine Beschwerden zyklusabhängig an?
Weil Östrogen und Progesteron die Schilddrüsenhormonwirkung verstärken oder dämpfen können.
Hilft eine glutenfreie Ernährung automatisch?
Nicht automatisch. Aber viele Patientinnen berichten über eine deutliche Verbesserung, weil Gluten das Immunsystem weniger triggert.
Kann Hashimoto wieder verschwinden?
Nein – Hashimoto bleibt eine Autoimmunerkrankung. Aber die Symptome lassen sich stark reduzieren, wenn Du die richtigen Stellschrauben drehst.
Was ist wichtiger: Schilddrüsenhormone oder Stressmanagement?
Beides – die richtige Medikation ist die Basis, aber ohne Stressregulation wird es selten stabil.
Fazit – Dein Weg zurück ins Gleichgewicht
Hashimoto ist mehr als nur eine Schilddrüsenerkrankung. Es ist eine Störung, die das ganze Hormonsystem betrifft – von Zyklus über Stress bis hin zu Stimmung und Energie.
Doch das Gute ist: Du kannst aktiv Einfluss nehmen.
Mit Ernährung, gezielten Mikronährstoffen, Stressreduktion und einer passenden medizinischen Begleitung lässt sich Dein hormonelles Gleichgewicht Schritt für Schritt wiederherstellen.
Wichtig ist, dass Du die Zusammenhänge erkennst – und nicht länger glaubst, all die Symptome hätten „nichts miteinander zu tun“.
Dein nächster Schritt
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