Nils Boettcher
Physiotherapeut und Experte für VerhaltensänderungAchtsamkeitstechniken im Arbeitskontext – Mehr Gelassenheit und Gesundheit im Job
Die Anforderungen an Beschäftigte in der heutigen Arbeitswelt sind oft hoch. Stress, ständige Erreichbarkeit, Termindruck und die ständige Anpassung an neue Technologien und Arbeitsprozesse führen bei vielen zu psychischen und physischen Belastungen.
Um dem entgegenzuwirken, setzen immer mehr Unternehmen auf Achtsamkeitstechniken. Doch wie genau funktionieren diese Methoden, was bringen sie und wie lassen sie sich im Arbeitsalltag umsetzen?
In diesem Artikel werfen wir einen umfassenden Blick auf die Achtsamkeit im Arbeitskontext und zeigen Dir, wie Du davon profitieren kannst.
Was ist Achtsamkeit?
Achtsamkeit bedeutet, den aktuellen Moment mit voller Aufmerksamkeit zu erleben, ohne ihn zu bewerten.
Es geht darum, Deine Wahrnehmung auf das Hier und Jetzt zu fokussieren und Dich nicht von Ablenkungen oder Gedankenschleifen aus der Ruhe bringen zu lassen.
Diese Technik der bewussten Aufmerksamkeitslenkung wurde durch Jon Kabat-Zinn populär gemacht, der die „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (MBSR) entwickelt hat.
Achtsamkeit ist nicht nur eine Methode der Stressbewältigung, sondern fördert auch das Wohlbefinden, die Emotionsregulation und die Selbstwahrnehmung.
Studien zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeitsübungen nicht nur zu mehr Entspannung führen, sondern auch die neurologischen Strukturen im Gehirn positiv beeinflussen können.
Das bedeutet, dass sich die Fähigkeit zur Fokussierung und zur emotionalen Stabilität langfristig verbessert.
Achtsamkeitstechniken im betrieblichen Gesundheitsmanagement
Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) werden Achtsamkeitstechniken zunehmend genutzt, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden zu stärken.
Diese Programme lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen:
Achtsamkeitsbasierte Programme
Diese Programme legen ihren Fokus auf die Förderung der Achtsamkeit durch formale Übungen.
Zu diesen Techniken gehören Meditation, Atemübungen und der Bodyscan. Besonders bekannt ist die „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (MBSR), die gezielt zur Stressbewältigung eingesetzt wird.
Diese Techniken helfen, die Konzentration und Gegenwärtigkeit zu schulen, was nicht nur im Berufsalltag von Vorteil ist, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden steigert.
Achtsamkeitsinformierte Programme
Diese Ansätze fördern Achtsamkeit eher indirekt und nutzen informelle Techniken, wie beispielsweise achtsame Bewegungsformen (Yoga, Tai Chi) oder Atemtechniken.
Ziel ist es, eine tiefere Verbindung zwischen Körper und Geist herzustellen, was zu mehr Entspannung und Gelassenheit führt.
Die wissenschaftlich belegte Wirkung von Achtsamkeit am Arbeitsplatz
Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen die positive Wirkung von Achtsamkeit im Arbeitskontext.
Eine systematische Literaturrecherche, die 105 Studien zwischen 2005 und 2019 analysierte, zeigt, dass Achtsamkeitstechniken insbesondere das psychische Wohlbefinden verbessern.
Die größten Effekte wurden dabei auf den Aspekt des Stresserlebens festgestellt – regelmäßige Achtsamkeitsübungen können das individuelle Stressempfinden signifikant senken.
Doch die positiven Effekte von Achtsamkeit am Arbeitsplatz gehen weit darüber hinaus:
Verbesserte emotionale Selbstregulation: Achtsamkeit hilft, emotionale Reaktionen besser zu kontrollieren, was vor allem in stressigen oder konfliktbehafteten Situationen nützlich ist.
Förderung der Resilienz: Menschen, die regelmäßig Achtsamkeit praktizieren, entwickeln eine stärkere Resilienz. Sie können sich nach stressigen Phasen schneller erholen und lassen sich weniger aus der Ruhe bringen.
Reduktion von Burnout-Risiken: Insbesondere in Berufen, die ein hohes Maß an emotionaler Belastung mit sich bringen (wie etwa im Gesundheitswesen), haben Achtsamkeitstechniken gezeigt, dass sie Burnout-Symptome verringern können.
Achtsamkeit und soziale Kompetenz: Mehr Empathie am Arbeitsplatz
Neben der Verbesserung der individuellen Gesundheit wirkt sich Achtsamkeit auch positiv auf das soziale Miteinander aus.
Achtsamkeit fördert das Mitgefühl und die Empathie, also die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Bedürfnisse besser zu verstehen.
Dies ist ein entscheidender Faktor für die Teamarbeit und die Arbeitsbeziehungen. Beschäftigte, die Achtsamkeit praktizieren, reagieren gelassener und verständnisvoller auf ihre Kolleginnen und Kollegen, was das Arbeitsklima verbessert und Konflikte verringert.
Digitale Achtsamkeitsprogramme: Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeitende
Viele Unternehmen setzen inzwischen auf digitale Achtsamkeitsprogramme.
Diese bieten den Vorteil, dass sie flexibel eingesetzt werden können, sei es über Apps oder Online-Trainings. Gerade für Beschäftigte, die wenig Zeit haben oder häufig unterwegs sind, sind digitale Angebote eine gute Möglichkeit, Achtsamkeit in den Alltag zu integrieren.
Studien zeigen, dass diese Programme ähnlich wirksam sein können wie traditionelle Präsenzkurse – vorausgesetzt, sie werden konsequent und über einen längeren Zeitraum hinweg genutzt.
Herausforderungen bei der Implementierung von Achtsamkeit im Betrieb
Auch wenn Achtsamkeitstechniken viele Vorteile bieten, gibt es Herausforderungen bei der Einführung und Umsetzung in Unternehmen:
Kürze der Programme
Es hat sich gezeigt, dass besonders kurze Achtsamkeitsprogramme (weniger als fünf Stunden Gesamttrainingszeit) häufig keine signifikanten Effekte zeigen.
Um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, sollten Achtsamkeitstrainings über einen längeren Zeitraum und regelmäßig durchgeführt werden.
Akzeptanz im Unternehmen
Der Erfolg eines Achtsamkeitsprogramms hängt stark davon ab, wie gut es im Unternehmen verankert wird.
Eine positive Betriebskultur, die Achtsamkeit fördert und unterstützt, ist entscheidend für die langfristige Wirksamkeit.
Hohe Abbruchquoten
Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, ist die oft hohe Abbruchquote bei Achtsamkeitstrainings.
Dies kann daran liegen, dass Mitarbeitende die Übungen als zu zeitaufwendig empfinden oder die positiven Effekte nicht sofort spüren.
Hier ist es wichtig, die Teilnehmenden kontinuierlich zu motivieren und das Training an die Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen.
Fazit: Achtsamkeit als Baustein für mehr Gesundheit und Produktivität am Arbeitsplatz
Achtsamkeitstechniken bieten eine Vielzahl von Vorteilen für den Arbeitsalltag. Sie helfen nicht nur, Stress zu reduzieren und das Wohlbefinden zu steigern, sondern fördern auch die Resilienz und das soziale Miteinander im Team.
Unternehmen, die Achtsamkeit als festen Bestandteil ihres Betrieblichen Gesundheitsmanagements integrieren, können langfristig von gesünderen und zufriedeneren Mitarbeitenden profitieren.
Für eine erfolgreiche Implementierung ist es jedoch wichtig, auf die Bedürfnisse der Belegschaft einzugehen und langfristige Programme zu entwickeln.
Insbesondere die Kombination aus analogen und digitalen Achtsamkeitsangeboten bietet eine flexible Lösung, die in den Arbeitsalltag integriert werden kann.